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H. Biedermann
Literaturliste & Kongreßbeiträge (Auswahl)

HWS seitl.: Diskrepanzen der Rotation

Auf dieser HWS- Aufnahme eines 10jährigen Mädchens ist morphologisch nicht viel auffällig – funktionell kann man aber einige interessante Informationen gewinnen.

Bei neutral gehaltenem Kopf setzt bei Axis eine starke Rotation ein

Bei neutral gehaltenem Kopf setzt bei Axis eine starke Rotation ein

Der Kopf steht perfekt neutral, seine Achse, wie es sich gehört, parallel zur Foramen-magnum-Ebene. Der harte Gaumem ist grosso modo horizontal und die beiden Kieferäste projizieren sich exakt aufeinander. Atlas ist in Neutralhaltung, morphologisch ebenfalls unauffällig und in seiner Position an den Condylen da, wo er hingehört.
Aber dann wird’s interessant; der atlanto- dentale Spalt ist (noch) akzeptabel bei einem Mädele dieses Alters, doch drei Dinge fallen auf, wenn man Axis betrachtet:

– die Kontur des Arcus dorsalis ist auseinanderprojiziert

– das Foramen transversarium ist perfekt rund dargestellt auf einer Seite

– die ventrale Schulter der Massa latgeralis projiziert sich vor die Dens- Vorderkante

Kaudal davon geht es in ähnlicher Weise weiter: die Proc.artic.supp. der Wirbelgelenkebene C2/C3 projizieren sich deutlich auseinander und die Foramina transversaria ebenso. Die vordere Begrenzung des Wirbelkörpers ist doppelkonturiert. Die Rotation nimmt nach kaudal kaum ab. Die Schultern stehen niedrig, man sieht deutlich die ersten beiden Rippen.

Was erzählt uns dieses Röntgenbild?

Es liegt eine (Ver-)Spannung vor zwischen C1 und C2, die nicht zu einem schützenden Schulterhochstand geführt hat und deshalb wohl älteren Datums ist. Wäre eine schlampige Positionierung des Kindes bei der Aufnahme Grund der Rotation gewesen, hätte sich diese harmonischer nach unten der Neutralhaltung angeglichen. die Tatsache, dass sich die Rotation in nur einem Segment – C2/C3 – abspielt, spricht dafür, dass hier eine Blockierung zu vermuten ist. Da der Schwerpunkt im Segment C2 zu finden ist gehen wir von einer Retroflexionsproblematik aus, d.h. relative Hypertonie der Nackenmuskulatur, überstreckte Schlafhaltung, tendenziell Mundatmung mit sekundären Rachenwegsreizungen bis hin zu Polyposis und Mandelvergrößerungen.

All dies muss nicht da sein, aber der Röntgenbefund legt es nahe, diese Dinge nochmals genauer aufzuarbeiten. So kommt man von einem Bild, das mancher Orthopäde, aber auch die meisten Radiologen wohl schnell als ‚o.B.‘ beiseite legen würden, zu etlichen interessanten klinischen Anstößen…

 

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